>>69714>Aber eine Programmiersprache ist nur eine Sprache.
Ebendrum. Du unterliegst hier einfach dem gleichen Irrtum wie viele vor dir: Das Schwierige am Programmieren ist nicht, die Syntax der jeweiligen Programmiersprache zu lernen. Die Programmiersprache ist nur Mittel zum Zweck, so wie mathematische Notation ein Mittel zum Zweck ist. Es gab auch früher schon den Gedanken, dass, wenn man einfach eine Programmiersprache so konstruieren würde, dass sie möglichst nah an einer natürlichen Sprache (im Regelfall Englisch) ist, dann plötzlich alle programmieren können. Das hat zu Sprachen wie Basic, Pascal, Cobol, ABAP, SQL usw. geführt. Das Konzept ist aber nie aufgegangen und tatsächlich entwickeln sich moderne Programmiersprachen in die komplett entgegengesetzte Richtung. Warum? Weil einfach niemand in einer natürlichen Sprache programmieren will, weil es umständlich und sperrig ist. Warum soll ich "set variable x to value 42" schreiben statt "x=42"? Warum soll ich jedes mal "begin" und "end" schreiben, wenn ich auch "{" und "}" schreiben kann? Warum soll ich jedes mal "function" schreiben, wenn ich auch "fn" schreiben kann?
Um das ganze noch mal von einem anderen Blickwinkel zu betrachten: KI wird nicht wirklich etwas verändern für Programmierer. Im besten Fall nimmt sie vielleicht einige stumpfsinnige Routinearbeiten ab und macht Programmierer dadurch produktiver. Davon können alle nur profitieren. Aber ich denke noch nicht mal das wird passieren. Warum? Weil Programmierer seit Jahrzehnten alles, was man irgendwie wiederverwenden kann, bereits in Bibliotheken, Frameworks und Standardsoftware gegossen haben. Eine KI hat da nichts neues anzubieten. Wenn du ein Subproblem hast wie "Sortiere eine Liste und gib mir die ersten 10 Werte", könntest du das vielleicht an eine KI delegieren, aber das ist unsinnig, weil jede moderne Programmiersprache bereits eine Standardbibliothek hat, mit der du das mit wenigen Worten ausdrücken kannst (z.B.
sorted(x)[:10]
). Und wenn die Standardbibliothek es nicht hat, dann gibt es unzählige andere Bibliotheken für jeden erdenklichen Zweck. Selbst Aufgaben wie "Ich hätte gerne eine Datenbank, wo man Einträge anlegen, bearbeiten und löschen kann, bitte mach mir auch noch eine schöne Weboberfläche dazu" sind bereits gelöst – damit ist Rails großgeworden. Du wirst feststellen, dass Programmierer sich gerade zu Sprachen hinwenden, die ein solches Ökosystem bieten. Niemand scheint da Angst zu haben, dass er überflüssig wird, die Leute sind einfach froh, wenn sie langweiligen Standardkram nicht jedes mal neu erfinden müssen. Wenn Programmierer durch die C++ STL, Boost, Rails, npm usw. nicht arbeitslos geworden sind, wieso sollten sie es dann durch KI werden? Bis Programmierer durch KI ersetzt werden, sind längst alle anderen Schreibtischberufe durch KI ersetzt worden.
Ein weiterer Aspekt ist auch noch: Wie willst du verifizieren, dass der Code, der von der KI ausgespuckt wird, korrekt ist? Das ist für viele Außenstehende vielleicht auch unintuitiv, aber Code zu schreiben ist in der Regel einfacher als bestehenden Code zu lesen und zu verstehen. D.h. wenn ich der KI ein Problem gebe und die KI mir dann irgendeine Lösung ausspuckt, brauche ich länger, um nachzuvollziehen, ob diese Lösung korrekt ist, als wenn ich sie einfach komplett selbst schreibe. Ich kann dir gar nicht sagen, wie oft es mir schon passiert ist, dass ich einen ganzen Tag lang vergeblich versucht habe, alten Code zu verstehen (den ich eventuell sogar mal selbst geschrieben habe), nur um dann am Ende alles zu löschen und es in zwei Stunden komplett neu zu implementieren, weil es schneller ging. Viel hilfreicher als eine KI, die Code schreibt, wäre eine KI, die Code liest und automatisch auf Korrektheit analysiert. Aber das gibt es auch schon, nennt sich statischer Analyser und braucht auch keine KI.
Zuletzt wird es an Haftungsfragen scheitern. Hast du dich schon mal gefragt, warum Lokführer noch nicht arbeitslos sind? Wir können ja argumentieren, dass es ein schwieriges Problem ist, Taxi- und LKW-Fahrer zu ersetzen, weil es auf der Straße zu viele Variablen gibt – man muss an der richtigen Stelle abbiegen, man muss die Spur halten, und dazu auch noch auf Straßenschilder und andere Verkehrsteilnehmer achten, die sich unvorhersehbar verhalten können, und zudem sieht auch noch jede Straße anders aus. Eine Lok hingegen kennt nur zwei Richtungen: Vorwärts und rückwärts. Wenn die Lok über eine Weiche fährt, ist sie bereits gestellt. Also sollte es eigentlich ziemlich einfach sein, Züge automatisch fahren zu lassen, selbst ohne KI. Das hätte man auch mit der Technik von vor zwanzig, dreißig Jahren schon machen können. Trotzdem sind die Lokführer nicht arbeitslos geworden. Warum? Weil so eine Lok mehrere Millionen NG kostet und das Gehalt eines Lokführers Peanuts dagegen sind. Niemand stellt ein paar Million NG einfach so unbewacht irgendwo ab oder lässt die unbewacht durch die Gegend fahren. Was ist, wenn jemand einbricht oder etwas kaputt macht? Was ist, wenn es ein technisches Problem gibt? Was ist, wenn die Lok einen Menschen überfährt? Für solche Fälle will man immer jemanden an Bord haben, der mögliche Probleme melden kann und eingreifen kann und im Zweifelsfalle haftbar gemacht werden kann und vor Gericht aussagen kann. Eine KI kann das alles nicht. Von einer KI kannst du keinen Schadensersatz fordern, eine KI kann auch nicht vor Gericht aussagen. Wenn du also eh einen Menschen an Bord haben musst, dann kann der das Gefährt auch gleich noch steuern. Es bringt keinen Gewinn, das zu automatisieren. Und viele Software hat einen weitaus höheren Wert als eine Lok und auch höhere Risiken. Programmierer werden aus dem gleichen Grund nicht arbeitslos werden, aus dem auch Lokführer und CEOs nicht arbeitslos werden.