>>115960Die Unterscheidung Stadt vs. Land finde ich gut.
Denn in der Stadt kommt man tatsächlich wunderbar ohne Auto aus. Im Gegenteil, in den Städten, in welchen ich gelebt habe, wäre Leben mit Auto sogar nachteilig gewesen. Denn: Finde mal einen Parkplatz für dein Auto in deiner Strasse, besser noch direkt vor deiner Haustüre. Habe heute noch regelmässig den Ärger, wenn ich mal meine Eltern besuchen fahre, und dort mein Auto für mehrere Tage irgendwo abstellen muss. Manchmal habe ich Glück und es hat einen Parkplatz, aber meistens muss das Auto dann irgendwo bei der nächsten Sporthalle oder Ähnlichem stehen, wo ich dann wieder Angst habe, dass die jede Nacht dort saufenden Jugendlichen dem Fahrzeug Schaden zufügen.
Und tatsächlich kommt man in der Stadt mit dem Velo und ÖPNV wesentlich besser rum. Mal schnell zum Einkauf, zur Schule, zur Uni, zu Freunden, zur Party, geht alles easy mit dem Velo. Mit dem Auto hätte ich da wesentlich mehr Aufriss gehabt. Plus Alkoholkonsum kann man mit dem Auto auch gleich vergessen, da wird ja an jeder Ecke kontrolliert.
Auf dem Land wiederum, wie du schon schriebst, ist es einfach ein Puff, irgendwo hin zu kommen. Zum nächsten Bahnhof sind es etwa 45 Minuten zu Fuss, 15 Minuten mit dem Velo, aber mit z.T. erheblicher Steigung auf dem Heimweg. Busse fahren hier zwar auch im Dorf, aber nicht sonderlich oft und zum Teil sehr sinnlose Strecken, sodass ich mit dem Bus teilweise länger unterwegs wäre als mit dem Velo. Somit sind alle Aktionen, die Alkohol involvieren, schon mal kompliziert und mühsam.
Und mit dem Auto mal in die grösseren Städte der Umgebung müssen ist auch absoluter Puff, weil massiv Verkehr und kaum Parkplätze, welche dazu noch massivst überteuert sind. Mit Besuch macht man das vielleicht mal zum Sight Seeing, aber normal kommt für Stadtbesuche das Töff zum Einsatz, das kann ich nämlich überall parkieren und kann damit auch den Stau etwas abkürzen.
Ohne Auto wäre man in einer ländlichen Umgebung komplett aufgeschmissen. Einkaufen? Ja, da hats im Dorf natürlich den Volg, da bekommt man schon Einiges, aber etwas teurer, und nicht unbedingt das Sortiment, was ich suche. Sonst hätte es noch einen Bäck, aber auch teuer. Und natürlich die Hofläden der Bauern, aber selbst die sind schon in ~1h Fussmarsch Entfernung.
Ich musste tatsächlich schon mal 3 Monate unfreiwillig Autofrei testen. Es geht, aber nur, wenn man vorher eine Bevorratung für 3 Monate plant und entweder komplett Heimbüro hat oder einen Arbeitgeber in der Nähe.
Und das ist eben das Problem, was die Gesellschaft auch wieder spaltet: Die Stadtmenschen kennen nur ihr Stadtleben, in welchem ein Auto tatsächlich überbewertet und ausser Statussymbolik nicht mehr viel Wert hat, die Ländler kennen nur ihr Landleben, wo ein Leben ohne Auto zwar möglich, aber sinnlos ist. Beide Seiten sehen nur ihre Welt und wollen ihr Weltbild den jeweils anderen aufzwingen, ohne zu verstehen, dass es für die andere Sicht auch Gründe gibt. Einen richtigen Konsens kann/will man nicht finden. Wieso auch? Dann könnte man ja keine Feindbilder bauen und bedienen (Städter = linksgrünversifte Spinner, Ländler = ultra-rechtsradikale, braune Nazis). Schade eigentlich.